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OBEN

Rechtliche Probleme bei der Passbeschaffung und Niederlassungserlaubnis für Flüchtlinge

Maya von Oettingen, Rechtsanwältin

Das deutsche Aufenthaltsgesetz und Asylgesetz ist auf Abwehr von Menschen ausgerichtet; nur ausnahmsweise bekommen Menschen eine Aufenthaltserlaubnis unter besonderen Umständen – über den Familiennachzug, der allerdings ebenfalls restriktiv geregelt ist und nur der Kernfamilie den Nachzug erlaubt, über die qualifizierte Berufstätigkeit oder über das Asyl. Allerdings spricht das Aufenthaltsgesetz nicht von dem Recht auf Asyl, sondern verbucht die Asylgesetze unter der Überschrift „Abschiebehindernisse“.

Die Flüchtlingsanerkennung ist daher ein besonderes Abschiebehindernis, was zeigt, dass auch die Asylregelungen restriktiv auszulegen sind – nur ausnahmsweise unter bestimmten Umständen darf jemand als Flüchtling anerkannt werden und darf daher 3 Jahre lang nicht abgeschoben werden. Dann wird die Anerkennung neu geprüft; auch wenn der Flüchtling den Antrag auf Niederlassungserlaubnis stellt, droht der Asylwiderruf.

 

Das Ausländerrecht ist im deutschen Rechtssystem ein totaler Exot und widerspricht sämtlichen Rechts - Grundsätzen, die wir im deutschen Recht haben.

Daher erkennt man unerfahrene Rechtsanwälte oder juristisch geschulte Helfer daran, dass sie an das Ausländerrecht herangehen, wie an andere Rechtsgebiete auch; das Ausländerrecht ist das einzig –

mir bekannte – Rechtsgebiet, das politisch und nicht rechtlich ausgelegt wird. Andere Rechtsgebiete werden anhand der Verfassungsgrundsätze und allgemeinen Rechtsauslegungsregeln ausgelegt, so wie sich das auch gehört. Das führt dazu, dass die Richter in anderen Gebieten (Strafrecht, Zivilrecht etc.) sich nur anhand ihrer juristischen Werkzeuge orientieren; Urteile von den oberen Gerichten führen zu Richtlinien, wie man etwas auslegen kann/sollte. Die Richter sind jedoch frei und wenn den Bürgern die Urteile nicht passen, können sie den Instanzenweg beschreiten. Das ist im Ausländerrecht anders; hier haben wir tatsächlich ,case law‘, was bedeutet, die Behörden kommen an den Urteilen der oberen Gerichte nicht vorbei.Wenn in Bayern der BayVGH etwas entscheidet, dann ist es in Bayern wie ein Gesetz. Deswegen

muss man auch die Rechtsprechung verfolgen. Nun gehören die Verwaltungsgerichte wie die

Ausländerbehörden zum Innenministerium, so dass von einer Freiheit der Richter nicht gesprochen werden kann, wie beim Strafrichter. Die Verwaltungsrichter pendeln teilweise (je nach Berufs und Karrierewunsch) zwischen dem Innenministerium und dem Verwaltungsgericht hin und her. Somit unterstelle ich, dass den Verwaltungsrichtern klar ist, was politisch gewollt ist.

Ganz auffällig war diese Situation als über Nacht Afghanistan plötzlich zu einem sicheren Land

geworden war, sämtliche Verwaltungsgerichte gleichzeitig entschieden haben, dass die Taliban wegen der Nato nicht in der Lage waren, landesweit zu verfolgen und Herat ein sicherer Rückzugsort für alle Rückkehrer sein könnte. Die unteren Gerichte halten sich an die Entscheidungen der oberen Gerichte, deswegen weiß man bereits, wie die bay. Gerichte entscheiden werden, wenn der BayVGH wieder ein Urteil gesprochen hat. Zumindest von außen entsteht daher der Eindruck, dass die Richter eben nicht völlig frei sind, sondern es hausinterne und ministerielle ‚Weisungen‘ oder Wünsche oder politische Leitlinien gibt.

Passbeschaffung

1. Der Pass ist sozusagen das höchste Identitätspapier; aber das ist nicht das Interessante an einem Pass, denn durch eine ID, Führerschein, Geburtsurkunden etc.1 kann ebenfalls die Identität nachgewiesen werden.

Das Interessante und Wichtige an einem Pass ist, dass er ein Rücknahmeversprechen des ausstellenden Staates an andere Länder ist, dass der Staat seinen Staatsangehörigen im Falle einer Abschiebung zurücknehmen wird.

Wenn also die Gesetze und Behörden auf die Passpflicht pochen, liegt es daran, dass die Pässe eine Abschiebung ermöglichen, denn die Identität kann man auch anders nachweisen.

Somit ist der graue Pass (Reiseausweis für Ausländer) das Versprechen Deutschlands an das Ausland, dass derjenige, der den grauen Pass hat, nach Deutschland abgeschoben werden darf, auch wenn er nicht die deutsche Staatsangehörigkeit hat. Da im Normalfall Ausländer ja nur aus besonderen Gründen abgeschoben werden, will Deutschland natürlich Ausländer, die zB in den USA Verbrechen begangen haben, nicht nach Deutschland abgeschoben bekommen; wenn aber derjenige einen grauen Pass hat, kann Deutschland die Aufnahme nicht verweigern, auch wenn derjenige zB aus Somalia ist.

Weil es also um die Ermöglichung zukünftiger potentieller Abschiebungen geht, ist es das große politische Ziel, Pässe zu erhalten; deswegen schreibt der § 3 AufenthG die Passpflicht vor. Der § 48 III AufenthG spricht von der Rückführungsmöglichkeit. Es geht also insgesamt um die Möglichkeit, Ausländer im Zweifelsfall irgendwann abschieben zu können – falls derjenige ausreisepflichtig geworden ist und/oder ausgewiesen worden ist.

Deswegen ist meiner Meinung nach gerade bei den subsidiär geschützten Flüchtlingen die deutsche Haltung bezüglich der Pässe sehr fraglich, da sie zwar nicht einer spezifischen Vorverfolgung unterlagen, aber dennoch festgestellt worden ist, dass ihnen bei der Rückkehr durch den Herkunftsstaat bzw. dessen Regierung eine Verfolgung oder menschenrechtswidrige Behandlung droht. Somit ist, solange das Verfolgerregime an der Macht ist (Eritrea und Syrien z. B.), eine Abschiebung ausgeschlossen; die Vorlage des Passes als Rücknahmeversprechen des Staates ist daher überflüssig und könnte immer noch dann gefordert werden, wenn dem Betroffenen der Schutzstatus entzogen worden ist. Die Ungleichbehandlung von anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten ist daher eine rein politische Entscheidung.

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zu 1: Man muss hier immer das jeweilige Herkunftsland beachten! Nigeria ist das Land der Fälscher, ein Großteil der Dokumente ist gefälscht. Deswegen werden alle Dokumente an das LKA zur Prüfung weitergegeben. Äthiopien hat einen guten Ruf, was Dokumente betrifft. Eritrea legt weder Wert auf Daten noch auf Formalien, so dass deren Dokumente meistens ebenfalls nicht anerkannt werden. Die Dokumente der Syrer sind meistens inhaltlich richtig, aber teilweise von der falschen Behörde ausgestellt, wenn sie zur Zeit von ISIS in bestimmten Provinzen ausgestellt worden sind. Da Somalia ein failed state ist, werden die somalischen Pässe meistens nicht anerkannt, sie sind aber ein Indikator dafür, dass derjenige tatsächlich ein Somali ist.

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Art. 25 II der Qualifikationsrichtlinie besagt:

Die Mitgliedsstaaten stellen Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist und die keinen nationalen Pass erhalten können, Dokumente für Reisen außerhalb ihres Hoheitsgebiets aus, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.

Durch den Art. 25 II der Qualifikationsrichtlinie sind somit Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte europarechtlich gleichgestellt; sie sind daher nicht verpflichtet, beim Herkunftsland einen Nationalpass zu beantragen.

Nur zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung könnten dem entgegenstehen; da die Schutzberechtigten nicht abgeschoben werden dürfen, können zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung nicht entgegenstehen. Insbesondere auch deswegen, weil es andere Möglichkeiten gibt, die Identität von Personen nachzuweisen. Dies geht durch eidesstattliche Versicherungen von Zeugen, Schulzeugnisse, Geburtsurkunden, Heiratsregister, Taufbescheinigungen etc. Allerdings erlauben diese Unterlagen (je nach Herkunftsland) noch keine Abschiebung, sodass die Ausländerbehörden weiterhin auf die Übergabe der Pässe dringen.

Aufgrund der Gleichstellung der anerkannten Flüchtlinge mit subsidiär Schutzberechtigten stellt sich die Frage, ob es einem dieser Betroffenen zumutbar ist, seinen Nationalpass zu beantragen, nicht. Die Gleichstellung ergibt sich aus der Qualifikationsrichtlinie als direkt anwendbares EU Recht, das vorrangig anzuwenden ist. Somit kommt man gar nicht erst zu den deutschen Rechtsvorschriften des AufenthG. Bisher wurde dies von den Behörden ignoriert bzw. anders bewertet.

Gem. § 48 II AufenthG muss der Ausländer alles ihm Zumutbare versuchen, einen Pass zu erlangen. Der Begriff der Zumutbarkeit sagt aus, dass aus der Sicht des jeweiligen Betroffenen geprüft werden muss, was für ihn zumutbar ist.

Die Auslegung des Begriffs der Zumutbarkeit ist „der“ Beweis dafür, dass die Auslegung juristischer Begriffe allein politisch zielorientiert ist. Die Konsequenzen hieraus sind äußerst schwerwiegend, denn wenn die Verwaltungsbehörden der Ansicht sind, dass für den Betroffenen die Beantragung des Passes (bei eritreischen subsidiär Schutzberechtigten z. B.) zumutbar ist und er dies unterlässt, er durch Anzeigen wegen Verstoßes gegen die Passpflicht kriminalisiert wird; je häufiger und schwerer die strafrechtlichen Verurteilungen hier sind, desto gefährdeter wird der Aufenthaltsstatus.

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Leider musste ich immer wieder feststellen, dass die Strafrichter gar keine Ahnung vom Ausländerrecht haben. Das Ausländerrecht mit seinem case law, mit seinen unterschiedlichen Konstellationen nach den verschiedenen Herkunftsländern ist für die Strafrichter viel zu aufwendig. Sie können sich bei der Überlastung der Gerichte nicht in die Probleme der verschiedenen Länder einlesen. Zudem kommen weder sie noch Strafverteidiger auf die Idee, dass das überhaupt notwendig ist, da sie vom puren Gesetzestext und den Angaben der Ausländerbehörden ausgehen. Nach dem Motto ‚die Ausländerbehörde wird schon wissen, was sie tut‘ richten sich die meisten Strafrichter mangels Erfahrung und Kenntnis nach den Angaben der Ausländerbehörden, so dass es in diesem Bereich zu einer Vielzahl von Fehlurteilen kommt. Da aber dadurch vielen Ausländern der Weg zu Aufenthaltsgenehmigungen (§ 25 b etc.) abgeschnitten wird, hat das katastrophale Konsequenzen.

Bei den anerkannten Flüchtlingen, die eine personenspezifische Vorverfolgung durch den Herkunftsstaat erlitten haben, steht daher fest, dass es ihnen nicht zumutbar ist, zu den Botschaften zu gehen und die Pässe zu beantragen.

Wenn z. B. Afghanen die Flüchtlingsanerkennung aufgrund der Verfolgung durch die Taliban erhalten haben, konnten sie dennoch die Pässe beantragen, da die Afghanen keine Angst vor der Verfolgung durch die afghanische Regierung hatten. Daher ist die Zumutbarkeit immer eine Frage des Einzelfalles.

Große Probleme gibt es daher bei den Eritreern, Iranern und Libanesen. Denn bei diesen wird die Erteilung der Pässe seitens der Botschaft an Bedingungen geknüpft:

  • Die eritreische Botschaft verlangt die Diasporasteuer, welche 2-3% des Jahreseinkommens des im Ausland lebenden Eritreers bedeutet. Wenn er diese nicht zahlt, geht der Staat zu den Familien vor Ort; die Eritreer sind daher mit den Familien in Eritrea erpressbar. 
    Das zweite ist, dass die Eritreer die Reueerklärung abgeben müssen; sie müssen unterschreiben, dass ihre Ausreise aus Eritrea illegal war, dass sie Eritrea verraten haben. Welche Konsequenzen diese Unterschrift tatsächlich hat, ist unbekannt, da die Eritreer nicht nach Eritrea zurückkehren und daher keine verlässlichen Erfahrungsberichte vorliegen.


    Die Eritreer weigern sich, diese Bedingungen zu erfüllen; sie weigern sich, überhaupt schon zur Botschaft zu gehen, da sie Angst haben, dass ihre Familien Konsequenzen erfahren, wenn der Staat erfährt, wo sich die Betroffenen aufhalten. Sie weigern sich, eine Diktatur finanziell zu unterstützen und sich selbst als Straftäter und Verräter zu bezeichnen.

    Die Verwaltungsgerichte haben entschieden, dass die Erfüllung dieser Bedingungen für die Eritrea zumutbar ist, denn Steuern müssen alle zahlen, und die Reueerklärung sei ja nur eine Formalie, die hinnehmbar ist, weil sie sonst die Pässe nicht bekommen. Dass dies ein Verstoß gegen die Menschenwürde, Handlungsfreiheit und das Recht, sich nicht selbst anzeigen zu müssen, ist, ist für die Verwaltungsgerichte nachrangig zu dem Ziel der Erfüllung der Passpflicht.
    Die Strafgerichte sind hier gespalten; denn die Verwaltungsgerichte werden ja wohl wissen, was sie tun. Allerdings haben die Strafgerichte entschieden, dass die Betroffenen nicht gezwungen werden dürfen, die Reueerklärung als Selbstanzeige abgeben zu müssen. Das Strafgericht in Augsburg hat daher entschieden, dass die Betroffenen zur Botschaft gehen müssen, um zu schauen, ob sie denn überhaupt die Reueerklärung abgeben müssen. Diese Entscheidung orientierte sich daher an denen der Verwaltungsgerichte, weil das Strafgericht das aus Erfahrung gar nicht beurteilen konnte – dass alle Eritrea im Endeffekt diese Erklärung abgeben müssen. Da sich die Betroffenen aber weiterhin weigern, überhaupt die Botschaft zu betreten, wurden sie auch nach dieser Auslegung weiterhin kriminalisiert.

    hat kürzlich entschieden, dass die Abgabe der Reueerklärung unzumutbar ist; das Urteil ist selbst noch nicht veröffentlicht, so dass man noch die Urteilsgründe abwarten muss. Allerdings haben einige Ausländerbehörden bereits reagiert und die Frage der Identitätsklärung auf die Vorlage von anderen Dokumenten umgestellt.BundesverwaltungsgerichtDas

    Wenn die Urteilsgründe vorliegen, sollte man prüfen, ob eine Wiederaufnahme der Strafverfahren bei verurteilten Eritreern in Betracht kommt. 

    Die Iraner und die Libanesen bekommen nur Pässe oder Heimreisescheine, wenn sie unterschreiben, dass sie freiwillig in die Heimat zurückkehren wollen. Da dies natürlich nicht stimmt, werden die Betroffenen gezwungen, eine Erklärung abzugeben, die wahrheitswidrig ist. Die Verwaltungsgerichte haben entschieden, dass das zumutbar ist. Denn die Betroffenen seien ausreisepflichtig und sollen daher gefälligst den Willen entwickeln, freiwillig ausreisen zu wollen. Aus der Ausreisepflicht würde sich daher der Ausreisewille entwickeln müssen. Das Argument kann das natürlich so nicht stimmen, da die Betroffenen gezwungen werden, ihre Behörden anzulügen – was bei deutschen Behörden verboten ist und strafrechtlich verfolgt wird. Aber da der Ausreisewille durch die Ausreisepflicht zu entstehen hat, bestehen die Verwaltungsgerichte weiterhin darauf, dass die Passbeschaffung zumutbar ist.

    Die Strafgerichte jedoch haben entschieden, dass die Betroffenen nicht gezwungen werden dürfen, falsche Angaben gegenüber ihren Behörden abgeben zu müssen. Daher dürfen diese Personengruppen nicht strafrechtlich wegen Passlosigkeit verfolgt werden. Somit haben die Strafgerichte entschieden, dass die Passbeschaffung für diese Gruppen unzumutbar ist.

    Dies hat aber nicht unbedingt die Konsequenz, dass die Verwaltungsbehörden ebenfalls entscheiden, dass die Beschaffung unzumutbar ist und deswegen die Betroffenen einen grauen Pass oder eine Aufenthaltsgenehmigung trotz Passlosigkeit bekommen. (Möglicherweise finden sich im neuen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hierzu Ausführungen, was verfassungsrechtliche Grundsätze betrifft).

Wenn die Versuche der Betroffenen scheitern an Pässe zu kommen, besteht die Möglichkeit als letztes Mittel, einen Anwalt im Heimatland zu beauftragen. Wenn dieser nicht in der Lage ist, bei der Passbeschaffung zu helfen, hat der Betroffene alles Mögliche versucht.

Ich empfehle hierzu immer die Beauftragung von Vertrauensanwälten der deutschen Botschaften. Die deutschen Botschaften haben überall auf der Welt Vertrauensanwälte, die sie als seriös ansehen; es sind einheimische Anwälte, die das Behördensystem in den Ländern kennen. Man kann bei den Botschaften die Liste erfragen. Dann sollen die Betroffenen gleich mehrere Anwälte anschreiben (immer alles schriftlich machen, damit man der Ausländerbehörde die Maßnahmen nachweisen kann) und denen mitteilen, dass man den Namen von der Botschaft hat. Das gibt Schutz vor Betrug und Wucher.

Dann muss der Betroffene dem Anwalt natürlich alle wichtigen Informationen geben – wie er heißt, wo er geboren ist, wie seine Eltern heißen, Großeltern, wo diese herstammen, etc. Je nach Fall hilft es, die Kirche und Moschee zu benennen, in der die Familie bekannt gewesen ist, die Schulen, Arbeitsstätten etc. Dann wird der Anwalt versuchen, Registrierungen zu finden und das Nötige zu veranlassen. Es kann sein, dass der Anwalt noch weitere Unterlagen oder Angaben benötigt, dann muss man ihm diese natürlich geben. Wenn der Anwalt sagt, dass er nicht helfen kann, weil nach dem Personenstandsgesetz dies nur höchstpersönlich möglich ist oder was auch immer – dann hat man eine Bestätigung von einem seriösen Anwalt, der mit der deutschen Botschaft zusammenarbeitet. Die Ausländerbehörde hat daher nicht die Möglichkeit, seine Angaben anzuzweifeln. Im schlimmsten Fall kann man das Anwaltsschreiben der deutschen Botschaft zur Überprüfung geben, was ich aber noch nie tun musste.

Egal, ob der Anwalt helfen konnte oder nicht – man kommt auf diesem Wege der Mitwirkungspflicht nach. Wenn der Anwalt nicht helfen konnte, kann der Betroffene den grauen Pass beantragen.

Natürlich wollen die Anwälte Geld für ihre Arbeit. Man kann daher mit dem Schreiben des Anwalts wegen der Kosten zur Ausländerbehörde gehen und denen zeigen. Je nachdem wie hoch die Kosten sind, kann die Ausländerbehörde dem Sozialamt mitteilen, dass diese die Kosten übernehmen.

Niederlassungserlaubnis

Man muss sich gut überlegen, ob man die Niederlassungserlaubnis beantragt; das ist eine Entscheidung von Fall zu Fall. Denn die Ausländerbehörden bitten das Bundesamt um Überprüfung, ob der Asylstatus widerrufen werden kann, denn dann müssen sie in vielen Fällen keine Niederlassungserlaubnis erteilen – was dann oft zu einer Ausreisepflicht führt.

Wichtig ist dies bei (positiv) fehlerhaften Entscheidungen des BAMF. Ich hatte beispielsweise eine nigerianische Frau, die den subsidiären Schutz erhalten hat, weil sie viele Kinder hat und in Nigeria ins Elend stürzen würde. Diese Entscheidung des BAMF war falsch. Wenn diese Frau nun die Niederlassungserlaubnis beantragt, würde das BAMF natürlich den Status widerrufen, weil mit Sicherheit auffallen würde, dass sie einen falschen Status hatte. Da sie aber nicht arbeitet, noch keine 6 Jahre mit Kindern in Deutschland lebt (womöglich auch keine A2 Kenntnisse hat), könnte ihr nicht statt der Aufenthaltsgenehmigung aufgrund des Asyls eine andere Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden, also sprich ein Wechsel von Asyl auf den § 25 b wäre nicht möglich gewesen. Das hätte zur Konsequenz, dass keine Möglichkeit gefunden wird, ihr eine andere Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen – so dass schlussendlich die Ausreisepflicht mangels Alternative entstehen würde.

Wenn sie allerdings in Ausbildung wäre, käme eine Aufenthaltsgenehmigung wegen der Ausbildung in Betracht. Wenn sie eine Ausbildung bereits abgeschlossen wäre, käme der Aufenthalt als qualifizierte Fachkraft in Betracht.

Es ist daher ganz wichtig zu prüfen, ob derjenige auf jeden Fall sicher wäre, sollte der Widerruf durch das BAMF erfolgen.

Das betrifft insbesondere die Flüchtlinge, die nach 3 Jahren bereits die Niederlassungserlaubnis beantragen möchten.

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(3) Einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, ist eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1. er die Aufenthaltserlaubnis seit fünf Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,

2. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73 Absatz 2a des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen; ist der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine Entscheidung des Bundesamtes vorausgegangen, die im Jahr 2015, 2016 oder

2017 unanfechtbar geworden ist, muss das Bundesamt mitgeteilt haben, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme nicht vorliegen,

3. sein Lebensunterhalt überwiegend gesichert ist,

4. er über hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt und

5. die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.

§ 9 Absatz 2 Satz 2 bis 6, § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 finden entsprechend Anwendung; von der Voraussetzung in Satz 1 Nummer 3 wird auch abgesehen, wenn der Ausländer die Regelaltersgrenze nach § 35 Satz 2 oder § 235 Absatz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erreicht hat. Abweichend von Satz 1 und 2 ist einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 1 oder 2 Satz 1 erste Alternative besitzt, eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1. er die Aufenthaltserlaubnis seit drei Jahren besitzt, wobei die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens abweichend von § 55 Absatz 3 des Asylgesetzes auf die für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis erforderliche Zeit des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis angerechnet wird,

2. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht nach § 73 Absatz 2a des Asylgesetzes mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme vorliegen; ist der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine Entscheidung des Bundesamtes vorausgegangen, die im Jahr 2015, 2016 oder 2017 unanfechtbar geworden ist, muss das Bundesamt mitgeteilt haben, dass die Voraussetzungen für den Widerruf oder die Rücknahme nicht vorliegen,

3. er die deutsche Sprache beherrscht,

4. sein Lebensunterhalt weit überwiegend gesichert ist und

5. die Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 bis 6, 8 und 9 vorliegen.

In den Fällen des Satzes 3 finden § 9 Absatz 3 Satz 1 und § 9 Absatz 4 entsprechend Anwendung. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für einen Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4 besitzt, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme vor.

(4) Im Übrigen kann einem Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach diesem Abschnitt besitzt, eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn die in § 9 Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. § 9 Abs. 2 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend. Die Aufenthaltszeit des der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangegangenen Asylverfahrens wird abweichend von § 55 Abs. 3 des Asylgesetzes auf die Frist angerechnet. Für Kinder, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres nach Deutschland eingereist sind, kann § 35 entsprechend angewandt werden.

Gefährlich wäre es daher zB für Flüchtlinge, die den Flüchtlingsstatus zum Beispiel bekommen haben, weil sie von ISIS verfolgt worden sind (wie die Yeziden). Da es ISIS im Irak und Syrien nicht mehr gibt, kann der Status widerrufen werden, vor allem wenn den Betroffenen keine Verfolgung durch den Staat droht. Wenn die Voraussetzungen des § 9 AufenthG nicht vorliegen, wie 5 Jahre rechtmäßiger Aufenthalt, 60 Monate Vollzeitarbeit/Rentenzahlung, B1, Integrationskurse, dann besteht das Risiko, dass kein anderer Aufenthaltsstatus möglich ist. Je nachdem, ob in das Land abgeschoben werden kann, muss man das Risiko bewerten. Allerdings kann man nie sicher sein, wie beim Irak, wie lange der Abschiebestopp noch weiter besteht, denn verglichen zu Afghanistan ist eigentlich nicht nachvollziehbar, warum die Afghanen bis zum Fall von Kabul abgeschoben worden sind, die Irakis aber nicht.

Als Ergebnis kann man nur sagen: man kann sich auf nichts verlassen, was heute gilt, ist morgen womöglich völlig überholt. Das ist das Spannende und Gemeine an der Sache. Man muss immer den Faktor Bayern miteinberechnen und dann an die Abwehrstruktur des Aufenthaltsgesetzes denken, dann kann man meistens die Risiken einschätzen.

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